Tiroler Fastnacht: Das Telfer Schleicherlaufen
Dramatiker Franz Kranewitter schreibt Prolog der Herolde


Es ist einer der buntesten Fastnachtsbräuche in Tirol: das Telfer Schleicherlaufen. Die Ursprünge dieses urtümlichen Umzuges sind sehr gut dokumentiert und reichen mehr als 500 Jahre zurück. Seit 1895 ziehen Schleicher, Laninger und Bären, Bease Buam, Wilde und Herolde alle fünf Jahre an einem Sonntag im Februar durch den Ort. Dabei hat jede Figur der Fasnacht ihre eigene Bedeutung und Aufgabe: Die Herolde etwa zeichnen für die Ladung des Tiroler Landeshauptmannes sowie des Innsbrucker Bürgermeisters verantwortlich und verkünden die Fasnacht. Dabei verlesen sie unter anderem einen Prolog, den der Tiroler Dramatiker Franz Kranewitter für die Telfer Fasnacht dichtete und der in den Innsbrucker Nachrichten vom 14. Februar 1925 unter dem Titel „Das Schleicherlof’n in Telfs“ veröffentlicht wurde:
„Bei dem Schleicherlof’n in Telfs am 8. Februar wurde folgender von Franz Kranewitter verfaßter ‚Vorspruch‘ gesprochen:
's ganze Leben ist nichts als eine Komödi,
Sagt Salomo in seiner Prödi.
Und alles, was wir da tun auf unserem Stearn,
Ist Narrheit vor Gott dem Hearn.
Dear ist a Graf, a Fürst gar, ein Kaiser,
Ein anderer ein Bettler, ein Narr oder ein Weiser.
Der steigt bis zum Gipfel hinauf an der Leiter,
Und der kommt schon unten tief unter die Scheiter.
Ob oben oder unten
In dem Gewoge, dem bunten,
Innerlich mehr oder minder,
sind wir alle arme Sünder.
Das Spiel allein macht den Komödianten
Wie 's Prödigen den Prödikanten.
Wer besser die Maskara spielt, kommt weiter,
Der andere bleibt ein Heiter.
So allein in tausend Gestalten kann sich alles Leben entfalten.
[…]
Das Treiben auf der Straße hier, wie es war
Seit zweitausend Jahr
Es zieht in bunten Reihen
In Verkörperungen immer neuen
Der Mensch an ihnen vorbei
In sich seiner Wesenheit treu,
Stets derselbe und doch immer neu.
[…]
Und nun, Musig, blas‘! Trommeln und Tschinellen,
Laßt's brummen und gellen!
Und ös springt‘s auf und rüttelt die Schallen!
Mag Fruchtbarkeit fallen in Äcker und Wiesen,
Mag in der Türkei hier, der Türken wachsen und sprießen
Und mögen wir alle gesund ihn noch lange genießen!
Auf! Auf! Juchei! Wir leben das Leben! Der Fasching ist frei!“
Maria Pichler
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