Der kleine Postillon - 15. Jänner 1925
Eine deutschsprachige Kinderzeitschrift zur Förderung der Muttersprache

Titelkopf von Der kleine Postillon, 15. Jänner 1925 © Der kleine Postillon

Immer mehr Südtiroler und Trentiner Tageszeitungen fielen ab 1925 der faschistischen Kontrolle und Zensur zum Opfer. Gleichzeitig wurde es zunehmend schwieriger, deutschsprachige Medien aus dem Ausland zu beziehen. Unter diesen Vorzeichen gab die Verlagsanstalt Tyrolia im Frühjahr 1924 erstmalig eine deutschsprachige Kinderzeitschrift heraus. Damit wollte deren Initiator, Kanonikus Michael Gamper, zum einen Kindern eine Möglichkeit bieten, in ihrer Muttersprache zu lesen, und zum anderen den sogenannten Katakombenlehrerinnen ein Lehrmittel an die Hand geben. Nach dieser ersten Ausgabe untersagte jedoch die Präfektur Trient das weitere Erscheinen und leitete die Entscheidung nach Rom weiter, wo sich der Streit über sechs Monate hinzog. Ab 15. Jänner 1925 schließlich durfte Der kleine Postillon regelmäßig alle 14 Tage erscheinen und titelte:
„Der Postillon ist wieder da!
Ist er‘s wirklich? Freilich ist er‘s mit samt seinem Bock und seinem Wagen. Uns sein Posthorn schallt und hallt wider, gerade so wie einst im Mai. Ihr habt wohl gemeint, er sei mit Bock und Wagen in die Etsch oder in den Eisack oder irgendwo über einen Felsen gestürzt und habe sich Kopf und Bein gebrochen. ‘Gott sei Dank ists damit nichts‘, lacht euch der Postillon entgegen. […]“
Die Kinderzeitschrift veröffentlichte rund sechzehn Jahre lang deutschsprachige Kurzgeschichten, Märchen, Sagen und Legenden, Heiligengeschichten, kurze Theaterstücke für Aufführungen im privaten Rahmen oder in den Geheimschulen, Gedichte, Lieder, Rätsel und Gruppenspiele. Besonders beliebt war 's Plauderstübele – eine Art Leserbriefecke, mit der Kinder zum Schreiben in deutscher Sprache motiviert werden sollten. Nicht jedoch ohne Vorsichtsmaßnahme:
„Für jene Postillonkinder, die mir ein liebes Brieflein schicken wollen, worauf sie im Plauderstübele gerne eine Antwort sähen, muß ich folgendes noch eigens bemerken: Alle diese sollen im Brieflein zu ihrem eigentlichen Namen noch ein sogenanntes Kennwort dazuschreiben. So hat sich z.B. von den diesmaligen Briefschreibern eine als Kennwort gewählt: ‚Rotkäppchen‘, eine andere ‚Zeisele‘, ein dritter ‚ABC-Schütze‘. Einen ähnlichen Namen sollen sich in Zukunft alle Briefschreiber beilegen. Unter diesem Worte können sie dann die Antwort im ‚Plauderstübele‘ suchen.“
Gestützt auf die Lateranverträge von 1929 gelang es, die deutschsprachige katholische Kinderzeitschrift Der kleine Postillon bis Oktober 1941 zu veröffentlichen. Der faschistische Gegenpart, Il Balilla dell’Alto Adige, erwies sich als vergleichsweise kurzlebig und wurde bereits sechs Jahre nach seiner Ersterscheinung im Jänner 1935 wieder eingestellt.
Maria Pichler
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