Einst als „Nizza Österreichs“ gepriesen, war die alte K.u.k.-Stadt Görz ein Schmelztiegel der Sprachen und Kulturen. Heute feiern das italienische Gorizia und das slowenische Nova Gorica als gemeinsame Europäische Kulturhauptstadt 2025 ihre Wiedervereinigung.
Vom geteilten Görz zur Kulturhauptstadt Europas
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Görz entlang des zentralen Platzes geteilt: Gorizia fiel an Italien, Nova Gorica entstand auf jugoslawischem Gebiet. „Über diesen Platz ging die Grenze. Er wurde in der Mitte zerschnitten“, erklärt Historiker Kitzmüller. Jahrzehntelang trennten Stacheldraht und Misstrauen, was einst zusammenhing – bis der EU-Beitritt Sloweniens und das Schengen-Abkommen die Barrieren fallen ließen.
Minderheiten und Medien: Brücken der Verständigung
Wie in Südtirol kämpften auch hier Minderheiten um Anerkennung. Die slowenische Community in Italien wurde gestärkt – etwa durch slowenischsprachiges Radio, das seit 80 Jahren in Friaul-Julisch Venetien sendet. „Es hatte eine stimulierende Funktion“, betont der Rai-Direktor der Region. Die Sprachenvielfalt – Deutsch, Italienisch, Slowenisch, Friaulisch – prägt bis heute die Identität der Grenzregion.
Schengen und EU: Grenzen fallen, Städte wachsen zusammen
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs begann die Annäherung. „Seit Schengen wächst zusammen, was zusammengehört“, so Kulturwissenschaftler Skarba. Die einst geteilten Städte entwickelten gemeinsame Projekte, bis sie 2025 den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ erhielten. Zur Eröffnung feierten Tausende grenzenlos auf den Straßen: „Wir Slowenen in Gorizia sind das Konzept Borderless“, sagt eine junge Frau.
Ein Jahr der grenzenlosen Kultur
Symbolträchtig trafen sich die Staatspräsidenten Italiens und Sloweniens auf dem einst zerschnittenen Platz. „Ein historischer Augenblick“, sagt ein Vater mit Kind. Die Kulturhauptstadt will mehr sein als ein Event: Sie soll Vorbild sein, „in Zeiten, in denen Grenzen wieder wichtig werden“, so Kitzmüller. Mit Ausstellungen, Festivals und Begegnungsformaten feiern die Städte ihre multilinguale DNA – und beweisen: Vielfalt ist kein Hindernis, sondern Europas größte Stärke.
Rai / petr