Wie steht es um die berufliche Weiterbildung unter den Beschäftigten in den drei Landesteilen der Europaregion? Gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Gebieten? Welche Auswirkungen haben diese auf das berufliche Fortkommen?
Um diese Fragen zu beantworten, wurden heute (24. Oktober) im Palais Widmann in Bozen die Ergebnisse der letzten von sechs EWCS-Studien vorgestellt. Seit 2021 forschen die Partnerinstitute AK (Arbeiterkammer) Tirol, das AFI | Arbeitsförderungsinstitut und die Agentur für Arbeit (Agenzia del Lavoro) Trentino unter der Schirmherrschaft der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino gemeinsam. Ziel des Projekts mit 4.500 Befragten in der ganzen Europaregion ist es, die Arbeitsbedingungen in den drei Gebieten auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten hin zu vergleichen und zu ergründen, wie sich die Europaregion im europäischen Vergleich schlägt.
Die heute präsentierte Studie nimmt das Thema Weiterbildung und Karriere in den Blick. Wie gut passen die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Arbeitnehmenden zu ihren Arbeitsaufgaben? Wie steht es um die Weiterbildung im Beruf? Wie schätzen die Beschäftigten in der Europaregion ihre Karrieremöglichkeiten ein?
Kenntnisse anwenden…
85% der Arbeitnehmer:innen in der Euregio erachten ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten als ausreichend, um ihre Arbeitsaufgaben zu erfüllen. Das entspricht genau dem europäischen Durchschnitt, wobei in Südtirol und Trentino dieser Prozentsatz etwas höher ist als im Bundesland Tirol. Männer und Frauen antworten trotz ihrer sonstigen beruflichen Unterschiede (Arbeitszeiten und Branchen) ähnlich. Junge Arbeitnehmer:innen unter 30 geben häufiger an, dass ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten noch nicht ganz ausreichen und sind dementsprechend zurückhaltender bei der Bewertung dieser Frage als ältere.
…und Neues auf der Arbeit lernen
62% der Befragten in der Europaregion als Ganzes geben an, dass sie während der Arbeit oft Neues lernen; im Trentino ist dieser Wert noch höher. Insgesamt ist das Arbeitsumfeld in der Europaregion also durchaus dynamisch und die Mitarbeitenden sind offen für Neues. Am meisten Lernmöglichkeiten bei der Arbeit gibt es für die am besten qualifizierten Berufsgruppen wie Führungskräfte oder Akademiker:innen – auch Matthäus-Effekt genannt: „Wer hat, dem wird gegeben…“.
Weiterbildung ist in fast allen Branchen üblich
Laut der EWCS-Erhebung haben nur 35% der Arbeitnehmer:innen in der Euregio in den 12 Monaten vor der Befragung an gar keiner Weiterbildung teilgenommen – die Euregio ist damit besser als der europäische Durchschnitt von 38%. Jüngere (unter 30) sowie Beschäftigte mit Hochschulausbildung bilden sich deutlich öfter weiter als andere; dasselbe gilt für Vollzeitbeschäftigte im Vergleich zu Teilzeitbeschäftigten. Eine weitere Erkenntnis: Öffentlich Bedienstete nehmen deutlich häufiger an Weiterbildungsmaßnahmen teil als Arbeitnehmer:innen in der Privatwirtschaft.
Karriere? Kommt darauf an…
45% der Beschäftigten in der Europaregion sind der Meinung, gute Karrierechancen zu haben. Die Beschäftigten im Bundesland Tirol sind mit 52% dabei zuversichtlicher als in Südtirol (46%) und vor allem dem Trentino (37%). Auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind beträchtlich: Nur 36% der Frauen bescheinigen sich gute Karrierechancen, bei den Männern sind es 52%. Dieser Unterschied erklärt sich vor allem dadurch, dass Frauen viel häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer und eben diese Teilzeitarbeit Aufstiegsmöglichkeiten einschränkt. Junge Arbeitnehmer:innen sind diesbezüglich zuversichtlicher als ältere Arbeitnehmende, wobei diese ihre Karriereziele oft auch schon erreicht haben. Wer auf der Arbeit über mehr Gestaltungsspielraum verfügt oder selbstständig ist, bescheinigt sich darüber hinaus höhere Karrierechancen als andere.
Stellungnahme von AFI-Präsident Andreas Dorigoni
„Bei der Weiterbildung am Arbeitsplatz schneidet Südtirol, wie die gesamte Euregio, im internationalen Vergleich recht gut ab. Allerdings gibt es vor allem in der Privatwirtschaft noch viel Luft nach oben, insbesondere in den Bereichen Transport und Logistik. Des Weiteren hinken weniger qualifizierte Arbeitnehmer:innen sowie solche mit einem geringen Bildungsabschluss Universitätsabgänger:innen in Sachen Weiterbildungschancen weit hinterher. Diese „Weiterbildungsschere“ ist ein kritischer Punkt, der angegangen werden muss, will man auf ein ausgewogenes Wachstum und eine inklusive Gesellschaft hinarbeiten.“
Stellungnahme von Arbeits-Landesrätin Magdalena Amhof
„Die Attraktivität eines Arbeitsraums ergibt sich immer erst aus dem Vergleich mit den Nachbarregionen. Insofern ist die EWCS-Studie ein wertvolles Instrument, um die Rahmenbedingungen am jeweiligen Arbeitsstandort besser einordnen zu können und bei Bedarf Maßnahmen zu definieren, um wettbewerbsfähiger zu werden. Weiterbildung spielt dabei eine wesentliche Rolle.“
AFI